Wenn aus Vorwürfen Wünsche werden

Frau G. meldet sich für eine Paartherapie an. Ihr Mann sei „gar nicht begeistert“ und fände eine Therapie absolut unnötig. Aus seiner Sicht sei sie eine unzufriedene Frau, die seinen Beitrag an die Familie nicht zu schätzen wisse. Frau G. sagt, sie sei schon lange unglücklich in dieser Beziehung. Ihr Mann lebe einzig für seinen Beruf, sei Tag und Nacht erreichbar für seinen Chef. Die Familie gebe ihm den nötigen emotionalen Halt, während er selber kaum etwas dazu beitrage.

Im Erstgespräch begegne ich einem nachdenklichen und traurigen Mann, der fortwährend das Gefühl hat, er mache alles falsch. Aufgrund der konflikthaften Situation beschliesse ich zuerst einige Einzelgespräche mit den Partnern, um dann (auf deren Wunsch) eine Paartherapie zu beginnen. Im Verlauf der Ehetherapie konnten beide erkennen, dass sie sich ihre gegenseitigen Wünsche nach Nähe und Distanz lange vorenthalten haben. Sie haben nie darüber geredet. Beide warteten, dass der andere redet. Beide mussten lernen ihre Wünsche zu kommunizieren. Und beide durften dabei lernen, dass auch unterschiedliche Wünsche in der Partnerschaft in Ordnung sind. Beide wollten sich und dem Partner Enttäuschungen ersparen und enttäuschten sich so selber. Heute geht es dem Ehepaar deutlich besser. Sie fühlen sich entspannter, unternehmen auch wieder hie und da etwas ohne die Kinder. Beide können ihre Wünsche aneinander frühzeitig anmelden. Und beide lernen, sich hie und da auch zu enttäuschen.